Beim letzten Event für 2015 ging es um die vielfältigen Möglichkeiten des Internets und darum, dass wir nicht nur Nutzer, sondern zugleich auch Schaffer von Content, also quasi das Medium selbst, sind. Welche Potenziale und Veränderungen das verursacht und wie unsere Speaker das Ganze sehen, haben wir nun nochmal für euch zusammengefasst.
Empathie ist kein Club in Ibiza
First one on stage: Friedemann Karig, freier Journalist und – wie wir auch dieses Mal wieder gemerkt haben – Wahnsinnssprecher auf der Bühne. Ob wir im Netz mehr oder weniger lügen war die Frage, und somit die quasi-philosophische Sichtweise, die seinen Vortrag dominierte. Dies beantwortete er sogleich mit dem Beispiel der niederländischen Bloggerin ergo vermeintlich Reisenden, Zilla Van den Born, die im Internet spektakuläre Fotos und sogar Videos ihrer Asienreise publizierte. Wochenlang ließ sie Omi, Mama und uns alle in dem Glauben, den Urlaub ihres Lebens zu machen, während sie eigentlich nie die Wohnung verlassen hatte. Die Möglichkeiten von Lügen im Netz sind also rasant gewachsen – braucht es heute nicht mal mehr Augenkontakt, an dem es ja bekanntlich bei vielen Lügen scheitert. Aber nicht nur Schwindeleien, sondern auch Verschwörungstheorien zu Themen à la 9/11, NSA oder dem Snowden-Effekt boomen in Zeiten von Facebook, Twitter & Co. Gründe dafür sieht Karig in unserer ständigen Suche nach Sinn. Die Welt ist wahnsinnig kompliziert, daher versuchen wir diese immer irgendwie sinnvoll zu machen und zu erklären.
Sein Fazit: wir wollen gar nicht immer ehrlich sein und inszenieren uns gerne. Dass das Internet der perfekte Ort hierfür sei, rief er uns ebenfalls nochmals vor Augen. Er erklärte, dass dieses absichtliche Mauscheln mit der Wahrheit nämlich durch neurowissenschaftliche Faktoren begünstigt wird: so reagiert unser Belohnungssystem im Gehirn auf xy Likes vergleichbar wie auf Süßigkeiten – nämlich mit einer erhöhten Ausschüttung des Glückshormons Dopamin.
Alle nutzen es, aber keiner will dafür zahlen
Martin Gaiger, Geschäftsführer KURIER Digital, zeigte auf, was viele von uns schon wussten: von den 87% der ÖsterreicherInnen, die online sind, sind nur minimale 32% auf Facebook, noch traurigere 4% auf Twitter. Online bleibt aber nach wie vor ein sehr wichtiger Faktor für die Rezeption von Online News – obwohl keiner dafür bezahlen möchte. Ein ähnliches Beispiel sieht Gaiger in dem mittlerweile verjährten Phänomen der Musikindustrie. Einige Jahre zuvor wollte da nämlich auch keiner für seine MP3s bezahlen und saugte sich seine Songs also irgendwo im Netz runter. Heute stehen kostenpflichtige Dienste à la Spotify aber wieder ganz groß im Rennen. So wird es auch mit den Medien sein. Abwarten und Tee trinken also.
Vom Leben in einer volatilen Welt, in der all das, was heute gilt, morgen schon längst nicht mehr aktuell sein muss und von Desorientierung sprach er ebenfalls. Aber gerade deshalb ermutigt er all jene, die sich auch mal als Medium probieren möchten, zu Trial & Error – das Internet ist voller Fettnäpfchen, dennoch bietet es uns auch so viele Chancen aus unseren Fehlern zu lernen. Auch plädiert er an alle To-Be-Blogger und Publisher, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist. Den Tränen am Anfang nahe, werden letztendlich all jene belohnt, die durchhalten und sich selbst treu bleiben.
Roland Trnik und die Sache mit den Influencern
Roland Trnik, Creative Director & Managing Partner von SPiNNWERK, sprach dann das Spannungsverhältnis zwischen Journalisten und Bloggern an. „Ist der Blogger das Medium und wie unterscheiden sich Influencer?“, fragte er und leitete in eine Gruppendiskussion mit den weiteren Speakern und Bühnengast Jenny Fellner (Herausgeberin MADONNA, Gesund&Fit, Cooking) über, die extra aus Berlin angereist ist.
Dass Journalisten und Blogger komplett andere Arbeitsweisen haben, ist klar. Laut Karig könne man die journalistische Qualität auch nie mit der eines Bloggers vergleichen, sind Blogger doch eine extravagante Mischung aus Journalist und Boyband. Er ist es auch, der meint, dass Blogger aufgrund ihrer Nähe zur Zielgruppe eine Art One-Man-Start-Up repräsentieren. Alle sind sich letztendlich einig, dass das Bild schlechter Blogger, professioneller Journalist längst schon überholt ist. Es könne genauso schlechte Journalisten wie gute Blogger geben.
Fazit des Abends: In puncto Content kreieren macht es wenig Unterschied, ob es sich beim Schaffer um Privatperson, Blogger oder Journalist handelt – auf die Nähe zur Zielgruppe komme es an. Und das Selbst-Erlernen von Medienkompetenz kann durchaus sinnvoll sein, um die Entwicklung sowie zukünftigen Trends der Mediennutzung besser zu verstehen, ergo darauf reagieren zu können. Auf die Frage nach dem Sterben der Printmedien hören wir die weisen Worte: „Es steht nicht in der Bibel, dass es Zeitungen auf gedrucktem Papier geben muss. Das wäre ja wahnsinnig langweilig.“
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